Artikel aus dem Ammerseekurier vom Mai 2020 (Text: Christine Stedele, Fotos: Guido Wider)
Es ist Mitte Mai und nach den ergiebigen Regenfällen der Eisheiligen steht die Natur in voller Blüte. Ist es noch später Frühling oder bereits Frühsommer, der Übergang in der Vegetation scheint fließend? Ausgangspunkt für den Wildkräuterstreifzug ist der Parkplatz des Gasthaus Eibenwald in Paterzell bei Wessobrunn. An der Hauptstraße geht es zunächst kurz nördlich bis zur Ulrichskapelle, von dort aus dann bergauf in den St.-Ulrichsweg.
Die grüne Beschilderung zeigt den Fußweg zum Weiler „Schlitten“, und es geht stramm bergauf vorbei an den letzten Häusern in Richtung Wald. Kühle Luft und sanfter Knoblauchduft empfängt die Besucher unter dem Blätterdach. Es summt und brummt, denn auch die Bienen erfreuen sich an den würzigen Bärlauchblüten. Ein Blütenmeer aus kleinen weißen Sternchen, das es in sich hat. Oft wird gefragt, ob denn Bärlauch noch essbar sei, wenn er blüht. Die Blätter verlieren dann zwar langsam ihr Aroma, aber die geballte Würzkraft steckt jetzt in den Blüten. Sie eignen sich wunderbar als Salatzutat oder Knoblauchersatz.
Überall plätschert es und kleine Bäche suchen sich den Weg bergab. Hier lässt sich gut die Bildung von Tuffstein im kalkhaltigen Gelände beobachten, und nicht zufällig gibt es in der Gegend viele alte Gebäude, die aus Tuffstein gebaut sind. Heutzutage sind die Kalktuffbrüche natürlich längst aufgelassen. Der Weg führt den Wanderer den Beihertgraben entlang bergauf. Über etliche Stufen geht es, und fast fühlt man sich in alpines Gelände versetzt. Immer wieder stehen am Weg entlang alte Holunderbüsche. Auf ihnen findet man einen speziellen Pilz, das Judasohr. Tatsächlich hat er ohrenförmiges Aussehen und fühlt sich fast auch so an. Der Pilz ist essbar und lässt sich wie Morcheln verwenden.
An der Hangkante verlässt man den Wald und geht durch Wiesen und Hecken in Richtung Schlitten. Der Weißdorn steht gerade in voller Blüte. Im letzten Jahr war er Arzneipflanze des Jahres, werden seine Blüten und Blätter doch seit langem bei Herzschwäche eingesetzt. Auch andere Heilpflanzen stehen am Wegesrand: der wilde Frauenmantel als klassisches „Frauenkraut“ und der Spitzwegerich als ein in der Volksmedizin eingesetztes Erkältungsmittel.
Der Wanderer wird noch mit einem schönen Blick zum Hohenpeißenberg belohnt, bevor er rechts den Weiler Schlitten erreicht. Hier steht die
„alte Thassilolinde“, die genauso alt sein soll wie die bekanntere Schwester in Wessobrunn. Ihr herzförmiges Laub und die knorrige Gestalt macht sie unverwechselbar, und quer durch alle Jahrhunderte war die Linde der „Baum der Herzen“. Hier wurden Feste gefeiert, Gericht gehalten und in seinem Schatten geruht, geküsst und geschwatzt. Übrigens sind die jungen Lindenblätter essbar und haben ein feines nussiges Aroma. An den Schlittener Linden sind auch schon die Knospenansätze der Lindenblüten zu erkennen. Schon seit alters her werden die Blüten getrocknet und ergeben einen wunderbar milden, duftenden Erkältungstee.
In einem großen Rechtsbogen verlässt man die Häuseransammlung, und wieder ergibt sich ein wunderbarer Blick in die Alpen und das Ammertal. Auf einem Forstweg geht es durch eine Allee aus Weißdorn bergab. Im Wald angekommen, grüßt der blühende Waldmeister am Wegesrand. Das typische Aroma ist ihm allerdings erst zu entlocken, wenn er etwas angewelkt ist. Dann ist er klassische Zutat für die „Maibowle“. Aber Achtung: zu viel davon macht Kopfschmerzen, und in diesem Fall ist ausnahmsweise nicht der Alkohol schuld, sondern das enthaltene Cumarin.
Erste Eiben finden sich hier und deuten auf die Nähe des bekannten Eibenwaldes hin, dieser einzigartigen Ansammlung uralter Baumveteranen in Deutschland. Natürlich ist die Eibe nichts für Feinschmecker, enthält sie doch äußerst giftige Inhaltsstoffe. Trotzdem zieht sie die Besucher durch ihren ganz eigenen Wuchs und ihre mystische Ausstrahlung in den Bann. Entlang des König-Ludwig-Wegs geht es zurück nach Paterzell zum Ausgangspunkt. Wer noch Kondition hat, kann hier im Eibenlehrpfad mehr über diese ganz besonderen Bäume erfahren.
Kontakt:
Christine Stedele
Diplom-Ökonomin
Gästeführerin "Gartenerlebnis Bayern"
Jurymitglied „Bayern blüht - Naturgarten“
Gartenbäuerin
Blühbotschafterin
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